Samita ASBL

Saccavadis Geschichte

(Übersetzung eines Artikels, den Bhante Sujato im Februar 2010 mit einem kleinen Kommentar versehen und auf seinem Blog veröffentlicht hat; deutsch von Anagarika Sabbamitta.)


Der folgende kleine Text wurde von der burmesischen Ex-Bhikkhuni Saccavadi verfasst und wurde vor einiger Zeit verbreitet; ich veröffentliche ihn hier erneut für alle, die ihre Geschichte nicht kennen. Sie war eins der vielversprechendsten Talente unter den Ordinierten ihrer Generation und erreichte regelmäßig Höchstwerte in den staatlich geförderten Sangha-Examina in Myanmar. Das Folgende geschah, als sie als Bhikkhuni nach Myanmar zurückkehrte:

1981 richtete die burmesische Regierung ein Gremium ein, das sich ‚Staatlicher Sangha-Nayaka-Rat‘ nannte (State Sangha Nayaka Council, im Folgenden SSNC). Dieser Rat besteht aus 47 Mönchsältesten, deren Aufgabe es ist, bei Meinungsverschiedenheiten in der klösterlichen Gemeinschaft als Schlichter zu dienen und den alten buddhistischen Palikanon auszulegen. Als der SSNC eingerichtet wurde, sprach er allen weiblichen Ordinierten offiziell den Namen ‚Thilashin‘ zu. Unglücklicherweise bezeichnet dieser Begriff im Vergleich zu ‚Novize‘ und ‚Mönch‘, wie die männlichen Ordensangehörigen genannt werden, einen niedrigeren Status. Eine Thilashin darf nur 8 Regeln auf sich nehmen, und das verhindert, dass sie Bhikkhuni werden kann (ein weiblicher Mönch) mit den dazugehörigen 311 Regeln, wie sie ursprünglich vom Buddha vor über 2500 Jahren erlassen wurden. Dabei ist zu beachten, dass das Wort ‚Thilashin‘ nicht nur mit einem niedrigeren Status verknüpft ist, sondern dass es im buddhistischen Palikanon gar nicht vorkommt. Nach dem buddhistischen Palikanon hat der Buddha sowohl Männer als auch Frauen zu Mönchen ordiniert.

Ich möchte nun über meine eigenen Erfahrungen mit dem SSNC berichten. 1986, als ich 21 Jahre alt war, wurde ich in Burma zur Thilashin ordiniert. 12 Jahre später, Ende 1998, ging ich nach Sri Lanka, um mich in die dortige buddhistische Kultur zu vertiefen und an der Universität Textkritik in der buddhistischen Literatur zu studieren. Ich war überrascht, als ich erfuhr, dass es in Sri Lanka Bhikkhunis gab, die Roben in der gleichen Farbe trugen wie die Bhikkhus. Diese Bhikkhunis benutzten, ganz wie ihre männlichen Kollegen, die Bhikkhus, kein Geld, kochten nicht und lebten allein von den Gaben der Laiengemeinschaft.

Nach 16 Jahren als Thilashin wurde ich nun begierig, die Bhikkhuni-Ordination zu nehmen, nachdem ich erfahren hatte, dass eine solche Gemeinschaft weiblicher buddhistischer Mönche existierte. Ich beriet mich darüber mit den Bhikkhus des burmesischen Tempels in Colombo, der Hauptstadt Sri Lankas. Man sagte mir, Frauen könnten niemals Bhikkhunis sein. Die Bhikkhus des Tempels legten wegen meiner Absicht, Bhikkhuni zu werden, auch beim SSNC Beschwerde ein. Aber obwohl ich vom SSNC in Burma einen schriftlichen Einspruch erhielt, verfolgte ich meine Ordination in Sri Lanka weiter und legte 2003 die Bhikkhuni-Roben an.

Anfang 2005 hatte ich erfahren, dass mein Vater, der in Burma lebte, schwer krank geworden war. Ich wollte ihn besuchen und flog nach Burma. Der SSNC hatte Kenntnis von meinem Besuch bekommen und eröffnete eine formelle Untersuchung bezüglich meiner Ordination.

Schließlich entschied der SSNC, dass es für eine Frau ein Verbrechen wäre, sich zur Bhikkhuni ordinieren zu lassen. Diese Entscheidung beruhte, so empfand ich es, auf einer einseitigen Auslegung des Palikanons. Am 27. Mai 2005 wurde ich den 47 Mönchen des SSNC vorgeführt. Die Mönche legten mir ein Dokument vor, auf dem vier Forderungen standen. Die erste Forderung bestand darin, mich dreimal vor dem Rat der Mönche des SSNC zu verbeugen. Die zweite Forderung bestand darin, meine Bhikkhuni-Roben abzulegen und stattdessen die Roben einer Thilashin anzulegen. Die dritte Forderung verlangte, dass ich das Dokument unterschreiben und damit zugeben sollte, dass ich dumm und im Unrecht sei. Und die vierte Forderung verlangte, dass ich dieses Bekenntnis laut vorlesen sollte.

Ich verbeugte mich dreimal vor den Mönchen. Was die zweite Forderung betraf, so trat ich hinter einen Wandschirm, zog meine Roben aus und legte Laienkleidung an. Auch bezüglich der dritten Forderung gab ich nach und unterzeichnete das Dokument, das man mir vorgelegt hatte. Aber ich konnte es nicht über mich bringen, mich der vierten Forderung zu beugen. Am Ende weigerte ich mich, die geschriebenen Zeilen vorzulesen, mit denen ich die Mönche um Vergebung bitten sollte, und richtete mich stattdessen an die Laien im Zuhörerraum. Ich sagte zu ihnen:

‚Bitte vergebt mir, wenn ich eure Unterstützung missbraucht haben sollte. Ich habe eure Almosenspeise nicht als Bettlerin entgegengenommen, sondern als Ordensfrau, die sich bemüht hat, der edlen Lehre des Buddha zu folgen.‘

Ein weiteres Mal forderte mich der Rat auf, das Schuldbekenntnis laut vorzulesen, genauso wie es auf dem vorgelegten Papier stand. Ein weiteres Mal weigerte ich mich. Daraufhin teilte mir der Rat mit, dass ich zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt würde. Ich wurde sofort in Gewahrsam genommen und schließlich in das allgemeine Gefängnis von Yangon geschickt. All das ereignete sich einen Monat nach dem Tod meines Vaters.

Im Gefängnis begegneten mir eine Menge Schwierigkeiten: korrupte Polizei, Androhung von Vergewaltigung sowie fürchterliche Lebensbedingungen. Selbstmordgedanken kamen auf, die irgendwann einer frischen Energie wichen und mich entschlossen machten, mich für eine barmherzigere Auslegung des Theravada-Buddhismus im Umgang mit weiblichen Ordinierten einzusetzen. Die Gefangenen bekamen weder Betten noch Decken oder Kissen, und das Gefängnis war so überbelegt, dass wir gezwungen waren, auf dem Boden nebeneinander auf der Seite liegend zu schlafen. Moskitos, Wanzen und Ratten belästigten uns täglich. Sanitäre Anlagen gab es praktisch keine. Die Dächer waren undicht, so dass die Gefangenen oft nass wurden. Urin und Fäkalien flossen aus den Toiletten über auf den Boden. Mir wurde bald klar, dass das Gefängnis ein Ort war, an dem die Insassen oft vorzeitig starben.

Ich wurde schließlich nach 76 Tagen Dienst entlassen. Meine vorzeitige Entlassung verdankte ich der Tatsache, dass die BBC und das RFA (Radio Free Asia) über meine Notlage berichteten, sowie der Hilfe von Mitgliedern meiner Familie, von denen einige einen militärischen Hintergrund besaßen. Ich erhielt eine neue Chance, die vier Forderungen des SSNC zu erfüllen. Ich leistete den vier Forderungen Folge und las auch mein Schuldbekenntnis laut vor. In Burma war ich nicht länger willkommen; man brachte mich zum Flughafen und setzte mich in eine Maschine nach Sri Lanka, wo ich gleich bei der Ankunft meine Bhikkhuni-Roben anlegte und mich wieder ins Kloster begab. Ich setzte meine buddhistische Praxis fort und nahm meine Doktorarbeit am Postgraduierten-Institut für Pali und Buddhismuskunde der Universität von Kelaniya wieder auf.

Im Ganzen, das möchte ich sagen, war meine 16jährige Erfahrung als Thilashin und meine 5jährige Erfahrung als Bhikkhuni eine positive. Ich hatte die Ehre, in meinem Leben großen Lehrern zu begegnen, sowohl Männern als auch Frauen. Die Mehrheit der Mönche, die ich traf, waren im Grunde gute Menschen, und viele unterstützen die Ordination von Frauen zu Bhikkhunis.

Bleibt abschließend, meine feste Überzeugung zu betonen, dass Burma eine Regierung im demokratischen Stil haben sollte, dass Kirche und Staat getrennt sein sollten und dass sowohl Männern als auch Frauen die Religionsfreiheit garantiert sein sollte. Burma leidet unter einer sehr hohen Armuts- und Arbeitslosenquote. Korruption ist gängige Praxis. Nach meinem Empfinden kann Burma erst dann in Frieden und Wohlstand leben, wenn die Militärregierung und die demokratisch gewählte Präsidentin Aung Sang Su Kyi, die gegenwärtig unter Hausarrest steht, zusammenarbeiten und sich für Versöhnung einsetzen und dabei das Wohl des Landes im Sinn haben. Von der internationalen Gemeinschaft sollte alle Hilfe angenommen werden, die diese leisten kann.

Nach ihrer Entlassung kehrte Bhikkhuni Saccavadi nach Sri Lanka zurück. Später ging sie in die USA und lebte dort mit ihrer Freundin Bhikkhuni Guṇasārī, die zur Zeit, als der Artikel verfasst wurde, außer ihr die einzige burmesische Bhikkhuni war. Ihre traumatischen Erfahrungen führten dazu, dass Saccavadi im Februar 2008 die Robe ablegte.

Aus diesem kleinen Aufsatz scheint eine Ruhe, mit der das Geschehene angenommen wird, sowie ein sanftes Lob für die Freundlichkeit von Mönchen; meiner Erfahrung nach ist eine solche Haltung typisch für jene Frauen, die bei ihrer Berufung zu Bhikkhunis geblieben sind. Ich könnte noch hinzufügen, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass im Ausland lebende burmesische Mönche Bhikkhunis stillschweigend unterstützen. Es ist kein ethnisches Problem, sondern ein ideologisches.