Von Bhante Sujato
Erstmals veröffentlicht am 18.6.2008
Deutsche Übersetzung von Wolfgang Neufing
In der Debatte über Bhikkhuni-Ordination spielt Information eine Schlüsselrolle. Wir haben in unserem Verständnis von Buddhismus in der Geschichte, dem Verhältnis zwischen verschiedenen buddhistischen Traditionen und so weiter wesentliche Fortschritte gemacht. Aber unglücklicherweise ist nur wenig davon zu den traditionellen Sangha-Institutionen vorgedrungen. Organisationen wie der Thai-Sangha scheinen ein Ressort tiefen Wissens über den Dhamma zu sein, scheinen voller Experten, die gründlich versiert sind. Aber das ist leider keineswegs der Fall. In Wirklichkeit erhält die große Mehrheit der thailändischen Mönche nur eine elementare buddhistische Ausbildung, die weitgehend auf ein paar ca. hundert Jahre alten Büchern basiert.
Zu jener Zeit erfuhr der thailändische Buddhismus eine rasante Modernisierung. Die Köpfe des Thai-Sangha standen an der Spitze derer, die sich für eine Neubewertung ihrer eigenen Tradition einsetzten und diese auf die frühesten Texte der Lehre stützten. Prinz Mongkut hatte mit dieser Tradition begonnen und Prinz Vajirañāṇa hat sie weitergeführt, jeweils während ihrer Zeit als Mönch. Sie entdeckten die zentrale Bedeutung des Palikanons aufs Neue und förderten einen rationalen, nicht abergläubischen Zugang zum Dhamma. So legten sie die Grundlagen des modernen thailändischen Buddhismus. Sie hatten jedoch nur Zugang zu einem kleinen Teil der buddhistischen Schriften und unser textuelles, archäologisches und historisches Verständnis hat sich seitdem rasch weiterentwickelt. Wegen des königlichen Prestiges der Texte ist es aber fast unmöglich gewesen, sie zu aktualisieren. Daher hängt der Sangha heute noch an den überholten und oft falschen Schlussfolgerungen dieser Texte und ignoriert den fragenden und forschenden Geist, auf dem sie beruhen.
In der Debatte über Bhikkhunis steht die folgende Passage für eine der einflussreichsten Aussagen zu dem Thema. Sie findet sich in Prinz Vajirañāṇas Vinayamukha, dem grundlegenden Vinayatext, den alle thailändischen Mönche lernen. Später werde ich zeigen, inwiefern seine Schlussfolgerungen über Bhikkhunis falsch sind, aber wir müssen anerkennen, dass diese Kritik ganz im Geiste des Artikels selbst ist. Der Text behauptet keine dogmatische Ideologie, er gründet sich auf die Vernunft und versucht eine historische Tatsache nachzuweisen. Gerade weil der Text selbst rational ist, sind wir in der Lage, ihn aus rationaler Sicht zu kritisieren. Denn, wie der Buddha sagt, was mit Vernunft erarbeitet wurde ist, ist nicht notwendigerweise korrekt.
Vinayamukha Bd. III Standardtext
Liengchieng Press, Bangkok, S. 170.Der Bhikkhuni Sangha entstand in der Mitte der Zeit des Buddhas. Aber zurzeit von Buddhas Erlöschen werden Bhikkhunis nicht erwähnt. Das war damals ein großes Ereignis, und wenn es noch Bhikkhunis gegeben hätte, wären sie zur Verbrennung gekommen oder hätten an der Reliquienfeier teilgenommen. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Bhikkhunis hundert Jahre nach dem Tod des Buddhas bereits verschwunden gewesen sein könnten.
Es gibt eine Geschichte [aus der Zeit der Zweiten Konzils, 100 Jahre nach Buddhas Parinibbana] über die Ehrw. Bhikkhuni Nandā Therī, König Kālaśokas Schwester, die ihm berichtete, dass die Vajjiputtaka-Mönche falsche Auslegung [des Vinaya] verbreiteten.
Dann gibt es eine lange Geschichte aus dem Jahr 236 vor Christus während der Regierungszeit des Königs Aśoka, als Saṅghamittā, seine Tochter, zur Bhikkhuni ordiniert wurde. Der König sandte sie nach Sri Lanka, um dort den Bhikkhuni-Sangha zu gründen. Zur selben Zeit war auch Mahinda Thera, König Aśokas Sohn, bereits dort, um den Buddhismus aufzubauen. Saṅghamittā Therī ordinierte singalesische Frauen, an ihrer Spitze Prinzessin Anulā.
Von diesen beiden Geschichten nun findet sich die Geschichte der Ehrwürdigen Nandā Therī nicht im Pali Sattasatikkhandaka [der kanonischen Quelle des Zweiten Konzils], sondern im Mahavaṁsa, das nach den Kommentaren entstand (im 5. Jhdt. nach Christus).
Die Geschichte von Saṅghamittā wird im [Vinaya-] Kommentar [Samantapāsādikā] erzählt. Die Namen der begleitenden Bhikkhunis werden im Unterschied zu Mahindas Fall nicht genannt [dieser reiste mit einer Gruppe namentlich bekannter Mönche nach Sri Lanka]. Es ist lediglich berichtet, dass König Aśoka Mahārāja die Ehrwürdige und ihre Begleitung einlud, an Bord des Schiffes zu kommen. Es gibt keine Einzelheiten über ihre Begleitung wie die Zahl der Bhikkhunis oder ihre Namen. Wie konnte sie die Ordination geben, wenn sie allein dorthin ging? Der Kommentator glaubt auch, dass eine Bhikkhuni jedes Jahr eine Ordination geben kann. So gesehen, können wir uns auf diesen Hinweis nicht verlassen. Somit gilt es als erwiesen, dass die Bhikkhunis seitdem verschwunden sind. [Deutsch aus Bhikkhuni Dhammanandas englischer Übersetzung]
Oberflächlich erscheint diese Passage widersprüchlich: Wenn es zum Zeitpunkt des Parinibbana keine Bhikkhunis mehr gab, wie konnten sie bis zur Zeit Aśokas überlebt haben? Obwohl die Begründung nicht immer ganz klar ist, scheint mir, dass die Passage eine sehr rationale These vorlegt.
Ich denke, wir können die Logik wie folgt neu formulieren.
Die kanonischen Texte schlagen vor, dass die Bhikkhunis schon zur Zeit des Parinibbana verschwunden waren. In der späteren Literatur gibt es jedoch gelegentliche Bezüge zu Bhikkhunis. Aber diese Passagen erscheinen in Texten, die viele nichthistorische Informationen enthalten und die deshalb sehr wohl falsch sein können. Nichtsdestotrotz, wenn die Bhikkhunis bis zur Zeit Aśokas überlebten, dann bedeutet die Tatsache, dass Saṅghamittā kein vollständiger Sangha zur Verfügung stand, um eine Ordination vorzunehmen, dass die Linie dort endete.
Lassen Sie mich das im Einzelnen betrachten.
1. Die Bhikkhunis waren bei Buddhas Parinibbana nicht anwesend.
Das Mahāparinibbāna Sutta, der Standardtext zu Buddhas Erlöschen, erwähnt nicht, dass Bhikkhunis an Buddhas Totenbett zugegen waren. Ganz klar ist es nicht, aber der Vinayamukha scheint daraus zu folgern, dass es da bereits keine Bhikkhunis mehr gab. Diese Schlussfolgerung ist jedoch offensichtlich falsch, nicht nur wegen der vielen Hinweise auf Bhikkhunis im Laufe der Geschichte, sondern auch wegen der Verweise im Mahāparinibbāna Sutta selbst.
Der erste Verweis auf Bhikkhunis im Mahāparinibbāna Sutta ist Buddhas Erwähnung einer kürzlich verstorbenen Bhikkhuni, Nandā, und ihre Lobpreisung als Nichtwiederkehrerin.
Wichtiger noch ist der Bericht über diese Worte, die der Buddha an Māra richtete:
Ich werde nicht von hinnen scheiden, du Böser, solange meine Bhikkhus und Bhikkhunis, Laienanhänger und Laienanhängerinnen noch nicht kluge, wohlgeschulte, ihrer Sache sichere, gut unterrichtete Jünger sind, die die Lehre kennen und befolgen, den rechten Pfad in Übereinstimmung mit der Lehre wandeln, die, was sie gelehrt bekommen haben, so wie sie selbst es gelernt haben, mitteilen, lehren, verkünden, aufstellen, darlegen, auseinandersetzen und klarmachen werden und die, indem sie Widerspruch, der sich erhebt, mit der Macht der Wahrheit erfolgreich zum Schweigen bringen, die einwandfreie Lehre verkünden werden. [Diese und die folgenden Passagen aus dem Mahāparinibbāna-Sutta fußen auf Otto Frankes Übersetzung: https://suttacentral.net/de/dn16]
Somit gab es nicht nur Bhikkhunis, sondern sie waren ein wesentlicher Teil des buddhistischen Lehrgebäudes. Der Buddha würde erst sterben, wenn die Bhikkhunis fest etabliert wären. Von dieser Aussage, die in den verschiedenen Versionen dieses Textes weit verbreitet ist, heißt es, sie sei vom Buddha kurz nach seinem Erwachen gemacht worden. Vom Beginn seiner Lehrtätigkeit an war es sein ausgewiesenes Bestreben, den Bhikkhuniorden zu etablieren.
Etwas weiter verweist das Sutta wieder auf Bhikkhunis als einen positiven und wesentlichen Bestandteil des buddhistischen Systems:
Aber Ananda, der vielmehr, sei es Bhikkhu oder Bhikkhuni, männlicher oder weiblicher Laienfreund, der die Lehre befolgt und den rechten Pfad in Übereinstimmung mit der Lehre wandelt, der erweist dem Tathāgata Ehre, Hochachtung, Anerkennung und höchste Huldigung. Darum, Ananda, müsst ihr euch bemühen, die Lehre zu befolgen und den rechten Pfad in Übereinstimmung mit der Lehre zu wandeln.
Und ein wenig weiter unten kommt das gleiche Thema wieder:
Ananda, folgende vier auf das Gemüt wirkende Stätten muss ein ordentlicher Mensch, der gläubig ist, sehen: die Stätte, wo der Tathāgata geboren ist; die, wo er zur höchsten vollkommenen Buddhaschaft durchgedrungen ist; die, wo er das herrliche Rad der Lehre in Bewegung gesetzt hat; und die, wo er in das Nibbana restloser Erlösung eingegangen ist. Das, Ananda, sind die vier auf das Gemüt wirkenden Stätten, die ein ordentlicher Mensch, der gläubig ist, sehen muss. Ananda, es werden gläubige Bhikkhus und Bhikkhunis, Laienanhänger und Laienanhängerinnen kommen an die Stätte, wo der Tathāgata geboren ist, wo er zur höchsten vollkommenen Buddhaschaft durchgedrungen ist, wo er das herrliche Rad der Lehre in Bewegung gesetzt hat und wo er in das Nibbana restloser Erlösung eingegangen ist. Denn, Ananda, alle, die auf der Wallfahrt zu einer solchen heiligen Denkstätte gläubigen Sinnes sterben, werden nach ihrem körperlichen Ende, dem Tode, ins freudenvolle Himmelreich eingehen.
Und einmal mehr:
Ananda ist klug, ihr Bhikkhus, er weiß, welches die geeignete Zeit für Bhikkhus ist, zum Tathāgata zu Besuch zu kommen, und welches die für Bhikkhunis, für Laienfreunde beiderlei Geschlechts, für einen König, für seine Minister, für Sektenstifter und ihre Jünger.
Es ist vollkommen offensichtlich, dass es nach der Pali-Version des Mahāparinibbāna Suttas zur Zeit des Parinibbana des Buddhas Bhikkhunis gab und dass sie darüber hinaus als regulärer, wesentlicher Bestandteil der Gemeinschaft des Buddhas betrachtet wurden. Dass Bhikkhunis in diesem Text beim Sterben des Buddhas nicht als anwesende Personen vorkommen, muss andere Gründe haben. Die Redakteure des Textes, die natürlich Mönche waren, haben vielleicht die Bhikkhunis einfach nicht erwähnt. Oder vielleicht waren keine Bhikkhunis in der Nähe, die man rechtzeitig hätte benachrichtigen können.
Eine Untersuchung der (sehr vielen) Versionen des Suttas, die auf Chinesisch, Tibetisch und in Sanskrit vorliegen, wäre ebenfalls notwendig, um belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. Aber bedauerlicherweise weiß kaum einer der thailändischen Mönche, dass es diese Texte überhaupt gibt. Für sie ist alles außerhalb des Pali-Kanons ‚Mahayana‘ und deshalb falsch und nicht relevant. Auch dieser naive und sektiererische Missbrauch von Textkritik basiert weitgehend auf Ideen des 19. Jahrhunderts. Mongkut und Vajirañāṇa, unter westlichem Einfluss erzogen, führten zwar die Idee der kritischen Untersuchung der überkommenen Texte ein. Aber dies geschah auf dem Kenntnisstand buddhistischer Texte im weiteren akademischen Umfeld jener Zeit. Die chinesischen und tibetanischen Texte waren kaum von Westlern gelesen worden, und selbst unter westlichen Wissenschaftlern bestand weithin der Glaube, dass die Mahayana-Traditionen nicht mehr als spätere degenerative Entwicklungen wären. Die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts hat diese Sichtweise systematisch korrigiert und dabei den Respekt vor dem Pali-Kanon beibehalten. Doch die Existenz von mehreren Versionen des Vinaya, von mehreren Parallelsammlungen zu den Nikāyas des Pali-Kanons, von umfangreichem Manuskriptmaterial aus Zentralasien und von anderswo – all das hatte bis heute keinen Einfluss auf den ideologischen Standpunkt, der den Pali-Kanon als das Ein und Alles des Buddhismus betrachtet.
2. Die Geschichte von Bhikkhuni Nandā wird in der kanonischen Version des Zweiten Konzils nicht erwähnt.
Das stimmt. Trotzdem ist es kein Argument, zu sagen, es hätte keine Bhikkhunis gegeben. Viele Details der späteren Berichte werden im Kanon nicht erwähnt. König Kāḷaśoka ist im kanonischen Bericht nicht erwähnt und wir leiten daraus nicht ab, dass es zu jener Zeit keine Könige gegeben habe. Ebenso wird im Kanon das Rezitieren der Schriften nicht erwähnt oder irgendeine Verbindung zwischen den Vajjiputtakas und den Mahāsaṅghikas, usw. Aber das hindert Theravada-Anhänger nicht daran, diese ‚Tatsachen‘ in ihren Berichten endlos zu wiederholen.
Es ist ganz richtig: Kanonische Berichte erwähnen die Bhikkhunis nicht, denn das Zweite Konzil war im Wesentlichen eine Disziplinarmaßnahme gegen die abtrünnigen Vajjiputtaka-Mönche, und Bhikkhunis wären bei einem solchen Treffen nicht zugegen gewesen. König Kāḷaśoka, Bhikkhuni Nandā und der Rest kamen viel später in die Geschichte hinein.
Aber Nandās Geschichte zeigt den Einfluss von Bhikkhunis im frühen indischen Buddhismus. Ob die Geschichte historisch ist oder nicht, sie zeigt, dass Bhikkhunis in solch einer starken Rolle zu sehen waren.
3. Saṅghamittā wurde nicht von Bhikkhunis begleitet, daher konnte sie die Bhikkhuni-Ordination nicht korrekt durchführt haben.
Diese Schlussfolgerung wurde auf Grundlage des Samantapāsādikā und auch des Mahavaṁsa gezogen. Der Vinayamukha merkt an, dass der Samantapāsādikā in der Tat beschreibt, dass Saṅghamittā mit einer Gruppe reiste, aber es gäbe keine Beweise, das seien Bhikkhunis gewesen. Aber der Mahavaṁsa ist nur eine spätere Version des Dīpavaṁsa, der älter ist und historisch zuverlässiger. [Anderswo (in „Sects & Sectarianism“) habe ich gewisse Aspekte des Dīpavaṁsa kritisiert, aber wie dort beschrieben, das war nur zutreffend für die früheren Teile nicht für die Ereignisse in Sri Lanka.] Und in der Tat, der Dīpavaṁsa führt die Namen von Saṅghamittās Begleitern auf: zehn Bhikkhunis, alle Arahants mit übersinnlichen Kräften [Dīpavaṁsa 13.2.77-8: Saṅghamittā mahāpannā uttarā ca vicakkhaṇā/Hemā ca māsagallā ca aggimittā mitāvadā/Tappā pabbatachinnā ca mallā ca dhammadāsikā/Ettakā tā bhikkhuniyodhūtarāgā samāhitā auf: https://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/FKT=1016/FRM=dipavamsa/IMPLAND=Y/LNG=DU/LRSET=1/SET=1/SID=27d92578-2/SRT=YOP/TTL=1/SHW?FRST=2. Englische Übersetzung: Hermann Oldenburg, 3rd reprint, New Delhi 2001. p.205 Chapter 18.11-13.]. Aber dieser Text war in Thailand wenig bekannt.
Wenn wir bedenken, wie wichtig Mahinda offenbar den Vinaya nahm, ist es unvorstellbar, dass eine Ordination ohne die Anwesenheit von Bhikkhunis durchgeführt worden sein soll. Aber der vorliegende Text ist weit mehr daran interessiert, Legenden rund um das Überbringen des Bodhi-Baums zu weben, als Vinaya-Prozeduren zu beschreiben. Argumente, die auf der Abwesenheit von etwas fußen, sind immer fragwürdig, weil alle Auslassungen durch die Redakteure festgelegt werden.
Und weiter: Der Samantapāsādikā selbst erwähnt Bhikkhunis mehrmals. Die Namen von Saṅghamittās Ordinationsgeberin und Lehrerin werden genannt. Und es wird gesagt, dass bei einer großen Versammlung 9.600.000 Bhikkhunis anwesend gewesen seien. [Der chinesische Sudassanavinayavibhāsā bringt die moderatere aber immer noch unwahrscheinliche Zahl von 960.000.] Ohne Zweifel eine unmögliche Zahl, aber ein klarer Hinweis auf eine substantielle Gemeinschaft von Bhikkhunis.
Alle oben angeführten Hinweise standen dem Autor des Vinayamukha zu Verfügung. Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass sie nicht in Betracht gezogen wurden. Indes sind seit jener Zeit substantielle neue Zeugnisse zu Tage getreten. Die wichtigsten sind die Edikte des Königs Asoka, die Bhikkhunis erwähnen; tatsächlich erwähnen sie Bhikkhus und Bhikkhunis immer zusammen. Nach den Forschungen von Gregory Schopen erwähnen die in Indien gefundenen Inschriften Bhikkhunis ungefähr so oft wie Bhikkhus. Und sie spielen die gleichen Rollen: sie lehren, rezitieren Texte, fördern Bauprojekte usw. Und gleichermaßen spielen Bhikkhunis ihre Rolle in den Schriften des indischen Buddhismus, auch wenn es eine stille Rolle ist.
Natürlich können wir nicht erwarten, dass der Autor des Vinayamukha von solchen Dingen wusste. Noch konnte er von den historischen Berichten wissen, die die Übertragung der Bhikkhuni-Linie von Sri Lanka nach China beschreiben; oder dass die chinesische Dharmaguptaka-Vinayalinie im Wesentlichen identisch ist mit dem Theravada-Vinaya; oder von den umfangreichen Beweisen für Bhikkhunis in der thailändischen Geschichte. Noch, traurig genug, können wir von ihm erwarten, in einer sinnvollen Art auf die spirituellen Bestrebungen von Frauen in unserer modernen Zeit einzugehen. Anscheinend glaubte er, wie so viele im thailändischen Buddhismus, dass die höheren spirituellen Ziele in unseren degenerierten Zeiten nicht mehr erreichbar wären. Sein Hauptziel war das Schaffen einer religiösen Basis für den Aufbau der thailändischen Nation.
Aber wir können und sollten erwarten, dass der heutige Sangha diese Dinge kennt. Die Tragödie ist nicht ein Dhamma-Buch, das offensichtliche Fehler enthält; das ist normal. Die Tragödie ist, dass die Fehler endlos fortgeführt werden, ohne sie zu untersuchen oder sie zu bereinigen. Der Geist des Fragens und der Vernunft, auf dem die Thai-Sangha Reformen des 19. Jahrhunderts beruhten, ist verschwunden. Meine Kritik ist nicht neu oder unüblich. Sie wurde vielfach durch thailändische Mönche und in der thailändischen Gemeinde vorgetragen. Aber es scheint, als sei der Thai-Sangha nicht mehr fähig, sich in einer Weise zu reformieren, die ihn für unsere Zeit relevant werden lässt. Der Reformgeist, der Prinz Vajirañāṇa inspirierte, ist längst aus den Institutionen, die er errichtet hat, verschwunden. [Siehe z. B. Thanissaro, „The Traditions of the Noble Ones’“, http://www.dhammatalks.org/Archive/Writings/CrossIndexed/Uncollected/MiscEssays/The%20Traditions%20of%20the%20Noble%20Ones.pdf Phra Paisan Visalo ‘When Buddhist Monks Cheat in Exams’, http://www.buddhistchannel.tv/index.php.] Heute müssen wir den Dhamma anderswo suchen.