Ein regnerischer Samstagnachmittag im Herbst in dem kleinen Dorf Engreux in den belgischen Ardennen, dort, wo die beiden Quellflüsse der Ourthe zusammenfließen; am „Ende der Welt“, wie sich das Dorf seit Jahrhunderten selbst nennt.
Auf einer Straße, auf der an Wochenenden üblicherweise zahlreiche Wanderer und besonders Radfahrer unterwegs sind, sieht man heute eine merkwürdige Prozession: Vorneweg gehen mehrere Personen in seltsamer Gewandung, danach kommen andere, die verschiedene Gegenstände vor sich hertragen. Schweigend ziehen sie in langer Reihe die Straße entlang, umrunden dreimal ein Haus, das sich äußerlich wenig von den anderen unterscheidet, an dessen Eingang aber ein Schild zu sehen ist: „Tilorien Monastery“ steht darauf.
Das Kloster Tilorien in dem belgischen Dorf Engreux ist nach etwa einjährigem Bestehen im Ort bereits gut akzeptiert. Von den rund 20 Personen, die das Kloster anlässlich der diesjährigen Kathinafeier besuchen, stammen vier direkt aus dem Dorf, weitere kommen aus der näheren Umgebung, und wieder andere von so weit her wie London. Auch mehrere deutsche Gäste sind aus Limburg, Köln und Saarbrücken angereist. Der jüngste Besucher ist nicht einmal ein Jahr alt.
Initiatorin des Projekts, im Großraum Belgien/Südwestdeutschland ein buddhistisches Kloster zu errichten, ist Ayya Vimala. Nach mehreren Jahren der Vorbereitung konnte Ende 2016 ein Grundstück erworben werden, und ab Ende 2017 wurde mit den Bauarbeiten zu einem Kloster-Hauptgebäude begonnen. Dieses beherbergt eine Küche, sanitäre Anlagen, eine Meditationshalle, in der bis zu 20 Personen Platz finden, ein kleines Büro und zwei Zimmer für Gäste. Ende Oktober 2018 wurde das Kloster offiziell in Betrieb genommen.
Seitdem konnte bereits ein Kuti für Ordinierte auf dem Gelände gebaut werden. Für zwei weitere liegt eine Baugenehmigung vor, und nach Möglichkeit sollen 2020 erste Schritte zum Bau dieses Doppelkuti unternommen werden.
Auf der Webseite des Klosters steht zu lesen: „Das Kloster Tilorien ist eine klösterliche Gemeinschaft, die sich auf frühbuddhistische Lehren stützt. Unsere Werte umfassen Güte, Gleichberechtigung, Inklusion sowie Nachhaltigkeit mit Blick auf die Umwelt. Wir bieten einen Ort für die Praxis, der Bhikkhunis und anderen weiblichen Ordinierten Vorrang einräumt. Gleichzeitig unterstützen wir Angehörige unterrepräsentierter Gruppen wie etwa Menschen, die sich als LGBTIQ+ identifizieren, sich im Dhamma zu entwickeln. Tilorien heißt alle willkommen, die das Leiden beenden und Glück entwickeln wollen. Wir bieten Unterweisungen und Klausuren, die sich auf die Weisheit und das Mitgefühl des Buddha gründen.“
Folgen wir nun also unserer Prozession in das Klostergebäude hinein: Über eine schmale Treppe steigt man zur Meditationshalle im Obergeschoss, die heute dicht gefüllt ist. Zum ersten Mal in der kurzen Geschichte des Klosters wird eine Kathinarobe feierlich an den Saṅgha überreicht.