Samita ASBL

„Getrennt, aber gleich“, die ideale Formel für das klösterliche Leben?

(Von Ayya Vimala; deutsch von Anagarika Sabbamitta)

Originalartikel

Man kann unsere spirituelle Praxis nicht getrennt von der Welt betrachten, in der wir leben, und unsere heutige westliche Welt ist von der Indiens zur Zeit des Buddha grundverschieden. Der Vinaya, der Satz an Ordensregeln, oder genauer gesagt an Richtlinien für unsere Praxis, ist jedoch flexibel genug, um sich Veränderungen anzupassen; wir sehen an zahllosen Beispielen, dass der Buddha unter bestimmten Umständen Regeln abgemildert hat oder dass er als Reaktion auf neue Entwicklungen neue Regeln erlassen hat.

Allerdings wurde der Vinaya, als er irgendwann nach der Zeit des Buddha kanonisiert wurde, eingefroren, und seitdem wurde nichts mehr geändert. Wie sollen wir aber dann in dieser Welt, die so anders ist, praktizieren? Wie können wir uns in ein 2500 Jahre altes System einfügen, wo unsere Gesellschaft mit der Zeit so viele soziokulturelle Veränderungen erfahren hat? Wieviel wurde tatsächlich nach dem Tod des Buddha an den Texten geändert, und warum? Wie gehen wir mit anderen Menschen und mit den Unterweisungen auf sinnvolle Weise um, so dass wir uns gegenseitig in der Praxis unterstützen können? Und wie gehen wir mit Aspekten dieses Systems um, die mit sozialen Werten kollidieren? Das sind Fragen, mit denen viele Ordinierte zu kämpfen haben, und obwohl ich hier keine vollständige Abhandlung geben kann, möchte ich gerne einen Aspekt herausgreifen, den ich für entscheidend für das Wachstum des Buddhismus in der westlichen Welt halte.

„Getrennt, aber gleich“, das klingt nach der idealen Situation für das Leben im Kloster heutzutage, und es ist zweifellos das, worum sich viele Ordinierte bemühen. Mönche und Nonnen leben in getrennten Klöstern, sie haben jeweils ihren eigenen Platz, sind aber völlig gleichberechtigt.

Aber ist das realistisch, oder ist dieses Konzept zu idealistisch? Vielleicht sollten wir uns einmal die Geschichte anschauen, um zu sehen, was es mit diesem Konzept „getrennt, aber gleich“ tatsächlich auf sich hat, und was wir vielleicht von der Art und Weise lernen können, in der es das Leben anderer Menschen in der Vergangenheit beeinflusst hat.

USA

In den USA war „getrennt, aber gleich“ eine Doktrin in der Verfassung der Vereinigten Staaten, nach der Rassentrennung nicht die 14. Änderung der amerikanischen Verfassung von 1868 verletzte, die allen Bürgern unter dem Gesetz den „gleichen Schutz“ garantierte. Unter dieser Doktrin konnten der Staat und regionale Verwaltungen verlangen, dass Dienstleistungen, Einrichtungen, öffentliche Unterkünfte, Wohnungen, medizinische Versorgung, Erziehung, Beschäftigung und Personenbeförderung nach Rassen getrennt wurden, solange für jede Rasse gleichwertige Möglichkeiten angeboten wurden.

Die Doktrin „getrennt, aber gleich“ wurde zuerst in dem berühmten Fall Plessy gg. Fergusson von 1896 vertreten, in dem ein Gesetz des Staates Louisiana bestätigt wurde, das weiße und farbige Passagiere zwang, in getrennten Eisenbahnwaggons zu reisen.

Die Entscheidung des Obersten Bundesgerichts von 1954 im Fall Brown gg. Bildungsausschuss hob die Plessy-Entscheidung für den Bereich der Bildung ausdrücklich auf. Dieser gefeierte Fall stellte fest, dass getrennte Schulen für Kinder unterschiedlicher Rassen de facto ungleich seien, da eine solche Trennung ein „Gefühl der Unterlegenheit“ entstehen lasse. (1)

Südafrika

Die Doktrin „getrennt, aber gleich“ wurde auch in Südafrika in den 1950er Jahren entwickelt. Seit er 1954 an die Macht kam, hat Premierminister Strijdom versucht, eine Politik von „getrennt, aber gleich“ durchzusetzen, die auch unter dem Begriff „Apartheid“ bekannt war (was wörtlich „Aussonderung“ bedeutet). Ein Artikel von Robert Neumann aus dem Jahr 1957 stellt einen Angriff auf Strijdoms Politik dar und zeigt, dass es in dieser Doktrin eine Menge „getrennt“ gibt, aber nicht viel „gleich“. (2)

Beide Fälle haben gezeigt, dass bei der Rassenfrage die Doktrin „getrennt, aber gleich“ an sich bereits Ungleichheit erzeugt, und dass sie ganz besonders Unterlegenheitsgefühle in der Gruppe erzeugt, die als weniger wünschenswert angesehen wird.

Aber was ist eigentlich das Problem bei diesem Konzept? Das Problem ist, dass ein solches Konzept immer einer Gruppe von einer anderen aufgezwungen wird, die sich selbst als überlegen empfindet, aber gleichzeitig ein starkes Bedürfnis hat, sich vor Einflüssen, die ihr bedrohlich erscheinen, zu schützen. Das geht auf eine tiefverwurzelte Furcht vor dem „bösen Anderen“ zurück, eine Furcht und ein Misstrauen, die sich auf das richten, was als fremd oder unbekannt wahrgenommen wird und unser Überleben oder das unserer Gruppe bedroht.

Mehrere berühmte Experimente wie „Eine geteilte Klasse“ („A Class Divided“) von Jane Elliott und das Stanforder Gefängnisexperiment („Stanford Prison Experiment“) haben gezeigt, dass das Risiko des Missbrauchs viel zu hoch ist; es gibt eine viel zu große Gefahr, dass sich Unterlegenheits-„Abzeichen“ entwickeln, unabhängig davon, welche Gruppe den schlimmsten Schlag zu verkraften hat.

Sobald man zwei Gruppen gegeneinander abgrenzt, wird eine als höher angesehen werden. Uns mit anderen zu vergleichen ist eine Grundfunktion unseres Geistes, die zu einer falschen Selbsteinschätzung führt. Sobald wir denken, wir seien höher oder niedriger als jemand anders oder sogar gleich, schätzen wir uns falsch ein. Wie der Geist beurteilt, was höher und was niedriger ist, hat seine Wurzeln in unserer Konditionierung, die zu diesen falschen Wahrnehmungen führt.

Wie wir an den Beispielen dieser beiden Länder gesehen haben, ist „getrennt, aber gleich“ keineswegs gleich, und selbst nach seiner offiziellen Abschaffung bleibt das Konzept so tief eingeprägt, dass die verschiedenen Gruppen und die damit verbundenen Assoziationen bestehen bleiben.

Es stellt sich dann die Frage, ob die „getrennt, aber gleich“-Doktrin, nachdem sie für die Rassenfrage abgeschafft wurde, für die Geschlechterfrage zulässig ist.

Während Rassentrennung in den Vereinigten Staaten jetzt ausdrücklich verboten ist, ist das für Geschlechtertrennung nicht der Fall. Es gibt noch geschlechtsspezifische Schulen, und darüber haben sich in den letzten Jahren etliche Debatten entzündet. Die gegenwärtige Diskussion um die Monoedukation stützt sich dabei auf Unterschiede zwischen den Geschlechtern selbst und scheint damit diese Frage in einen größeren Rahmen zu rücken—hin zu der Frage, inwiefern Männer und Frauen gleich sind, und inwiefern sie so ungleich sein können, dass Unterschiede im Recht, sich politisch einzumischen, und in den Bürgerrechten gerechtfertigt sind. (1)

Vereinigtes Königreich

Ein interessanter Fall, der zum Präzedenzfall werden könnte, ereignete sich vor einigen Monaten in England. (3)

Im Fall Leitender Inspektor I.M. für Bildung, Kindergottesdienste und Fertigkeiten gg. die Al Hijrah-Schule hat das Berufungsgericht geurteilt, dass Geschlechtertrennung in der Erziehung diskriminierend ist. Die Al Hijrah-Schule ist eine freiwillige gemischte Förderschule islamischer Konfession in Birmingham, in der Kinder zwischen 4 und 16 Jahren unterrichtet werden. Ab dem 9. Lebensjahr werden Jungen und Mädchen bei der Ankunft getrennt und durchlaufen ihren Unterricht und den gesamten Schulalltag völlig getrennt voneinander; beim Essen, beim Sport und bei anderen Schulaktivitäten und sogar wenn sie sich auf den Fluren bewegen, sind sie getrennt und haben keine Möglichkeit, sich untereinander zu mischen oder Kontakte zu knüpfen. Geschlechtertrennung in gemischten Schulen ist sehr ungewöhnlich, aber kein Einzelfall: Es gibt in England ca. 25 solcher Schulen (alle konfessionelle Schulen, aber jüdische und christliche ebenso wie islamische). Im letzten Jahr ist das Amt für Standards im Bildungswesen (office for standards in education, Ofsted) zu dem Schluss gelangt, dass die Geschlechtertrennung an der Al Hijrah-Schule diskriminierend sei, obwohl beide Geschlechter fast identischen Zugang zum vollen Lehrplan hatten. Das Oberste Gericht hat das Recht der Schule, ihre Schüler (in Übereinstimmung mit den Wünschen der Eltern) zu trennen, untermauert. Jedoch—das Berufungsgericht hat entschieden, dass die Schule damit gegen das Gleichberechtigungsgesetz von 2010 verstößt, da es sich um direkte sexuelle Diskriminierung handelt.

Das Urteil des Gerichts gründete auf einem einfachen, aber irreführenden Argument: Eine Schülerin, die einen Schüler treffen oder mit ihm Kontakt knüpfen möchte, wird daran wegen ihres Geschlechts gehindert, eines Merkmals, das unter den Schutz des Gleichberechtigungsgesetzes von 2010 fällt; hätte sie dieses Merkmal nicht und wäre ein Junge, könnte sie alle anderen Jungen treffen und mit ihnen Kontakte knüpfen. Ebenso ist es, wenn ein Schüler eine Schülerin treffen oder mit ihr Kontakt knüpfen möchte; auch er wird daran wegen seines Geschlechts gehindert. Weil beide Gruppen (d. h. Jungen und Mädchen) in ihrer Erziehung vom gleichen Nachteil betroffen sind, hat das Oberste Gericht daraus geschlossen, dass es keine Ungleichbehandlung zwischen den Geschlechtern gibt und demzufolge auch keine sexuelle Diskriminierung. Am Berufungsgericht kamen jedoch alle drei beteiligten Richter zu dem Schluss, dass diese Einschränkung der Freiheit der Schülerinnen und Schüler, Kinder des anderen Geschlechts zu treffen oder mit ihnen Kontakte zu knüpfen, ihrer Erziehung abträglich ist, und ein solcher Nachteil erfolgt—im Fall jedes einzelnen Jungen oder Mädchens—„wegen des Geschlechts“ und stellt somit eine rechtswidrige direkte sexuelle Diskriminierung im Bildungsangebot dar (entgegen den Abschnitten 13 und 85 (2)(a), (b), (d) und (f) des Gleichberechtigungsgesetzes). Das Berufungsgericht stützt sich dabei auf das Urteil des Obersten Gerichtshofs für England und Wales im Fall Coll gg. Justizstaatssekretär (vom Mai 2017), in dem anerkannt wurde, dass getrennte, aber gleiche Behandlung nichtsdestotrotz diskriminierend sein kann.

Nun gibt es hier verschiedene interessante Parallelen:

  1. Zunächst ist es bemerkenswert, dass in dem Artikel erwähnt wird, dass alle Schulen, in denen diese Art von Trennung vorkommt, konfessionelle Schulen sind, jüdisch, christlich oder islamisch, was impliziert, dass die Trennung ihre Wurzeln in religiösen Überzeugungen hat. In unserem klösterlichen Orden hat die Trennung ganz offensichtlich ebenfalls ihre Wurzeln in der religiösen Lehre, und ich möchte darauf später zurückkommen.
  2. Als Zweites wird ausdrücklich festgestellt, dass es sich, wenn ein Mädchen einen Jungen treffen oder mit ihm Kontakt knüpfen möchte oder umgekehrt und daran wegen ihres / seines Geschlechts gehindert wird, um Diskriminierung handelt, unabhängig von der Gleichbehandlung beider Gruppen. Genau das Gleiche geschieht im buddhistischen Orden. Somit besagt dieser Artikel, dass zumindest in England manche buddhistische klösterliche Einrichtungen nicht gesetzeskonform sind.

Aber die Sache hat einen Haken, denn es gibt in England noch reine Jungen- oder Mädchenschulen, und diese gelten als legal. Besagtes Urteil bezog sich lediglich auf Fälle, in denen beide Geschlechter in der gleichen Einrichtung vertreten sind.

Während wir bei der Rassenfrage zu Recht argumentieren konnten, dass „getrennt, aber gleich“ nur dem Namen nach existierte, es aber in der Praxis keine gleichen Möglichkeiten und Chancen gab, greift dieses Argument in diesem Fall nicht mehr.

Lediglich die abweichende Richterin kam allerdings zu dem Schluss, dass Geschlechterdiskriminierung in gemischten Schulen Mädchen unverhältnismäßig stärker diskriminiert, da für Mädchen in einer Gesellschaft, in der Frauen die machtlosere Gruppe waren und noch immer sind, daraus nachteiligere praktische und symbolische Folgen erwachsen. Richterin Gloster stimmte Ofsted zu, dass ein Bildungssystem, das Geschlechtertrennung innerhalb gemischter Schulen aufrechterhält, so dass es für beide Gruppen—ab einem Alter, in dem sie dafür empfänglich sind—natürlich wird, eigenständige soziale und berufliche Netzwerke ausschließlich mit ihren eigenen Geschlechtsgenossinnen und -genossen zu bilden, dazu führt, dass Frauen im späteren Leben im Vergleich zu Männern ins Hintertreffen geraten, da Frauen immer noch unterdurchschnittlichen Zugang zu Macht- und Einflussstrukturen haben. Mit anderen Worten, Geschlechtertrennung verstärkt Klischees über die Unterlegenheit von Frauen oder über ihren wahrgenommenen Platz in einer Gesellschaft, in der überwiegend Männer Macht ausüben.

Aber trifft diese letzte Schlussfolgerung nicht genauso zu, wenn die Geschlechtertrennung in getrennten Einrichtungen erfolgt?

In religiösen Einrichtungen scheint eine Furcht vor unangemessenen sexuellen Beziehungen zu herrschen, und diese Ängste liegen dieser Art von Trennung zugrunde. Aber inwieweit trifft so etwas in einer Welt, in der Geschlechteridentitäten zunehmend neu definiert werden, noch zu? Es ist ein Mythos, dass Menschen nur vom anderen Geschlecht angezogen würden, und Menschen wie ich selbst und andere LGBTQINs passen weder ohne weiteres in ein Mönchs- noch in ein Nonnenkloster.

Aber wichtiger noch: woher kommen solche Ängste? In den Frühbuddhistischen Texten sehen wir, dass die Körperbetrachtung geübt wird, indem man sich auf den abstoßenden Charakter des eigenen Körpers einstellt und indem man verwesende Leichen betrachtet und sich dabei sagt „auch ich werde eines Tages so werden“. Diese Praxis hat sich später jedoch dahingehend entwickelt, dass Mönche die Widerwärtigkeit des Körpers einer Frau betrachten, um ihr sinnliches Verlangen zu überwinden. Dabei projizieren sie ihre eigenen Unreinheiten auf Frauen und sehen diese als abstoßend und als die Ursache eben dieses Verlangens an. Es muss daher nicht überraschen, wenn sich eine Furcht vor Frauen als den „bösen Anderen“ findet, die Mönche vom spirituellen Leben weglocken, und diese Vorstellung scheint in traditionellen buddhistischen Ländern heute noch sehr lebendig zu sein. Frauen werden als Bedrohung für das Mönchsleben angesehen und sollten deshalb abgesondert werden.

In den frühen buddhistischen Texten sehen wir, dass der Buddha radikal von der Norm abwich und alle wahrgenommenen Unterschiede in Bezug auf Rasse und Kaste, die in seiner Gesellschaft herrschten, abschaffte. Sobald jemand dem Sangha beitrat, gab es keinen Unterschied mehr. Heute ist diese Situation allerdings in vielen traditionellen buddhistischen Ländern ganz anders: Es gibt da heute Hierarchien, die auf Gesellschaftsschichten beruhen. (4) Offensichtlich sind diese sozialen Gebilde irgendwann nach dem Buddha allmählich wieder in den Sangha eingesickert. Es ist daher nicht zu weit hergeholt, wenn wir annehmen, dass das Gleiche auch bei der Geschlechterfrage geschehen sein könnte.

Aber in unserem Fall haben wir im Zusammenhang mit dem klösterlichen Sangha hier natürlich ein Problem. Es ist klar, dass mit der bloßen Definition eines Bhikkhu- und eines Bhikkhunī-Pātimokkha im Vinaya die Trennung bereits festgeschrieben ist. Was wir jedoch nicht wissen ist, wie genau diese Texte zu uns gekommen sind und wie sie ihre heutige Form erhalten haben. Wir wissen, dass der Bhikkhunī-Pātimokkha verloren war und später aus einem Kommentar rekonstruiert wurde. Was wir nicht wissen ist, wie er sich in der Zeit zwischen dem Parinibbāna des Buddha und der Niederschrift des Kommentars verändert hat, oder gar woher die Verfasser des Kommentars ihre Information hatten.

Im letzten Jahrzehnt wurde darüber hervorragende Forschungsarbeit geleistet, insbesondere vom Ehrw. Anālayo u.a., aber es ist noch mehr Arbeit nötig, um zu klären, inwiefern nach dem Tod des Buddha Veränderungen vorgenommen wurden.

Bhante Sujato zeigt in Bhikkhunī Vinaya Studies (5), dass der Vinaya, im Unterschied zum Großteil der Suttas, nach der Zeit des Buddha wesentlich mehr Veränderungen erfahren hat. Der größte Teil des Vinaya ist wahrscheinlich als eine spätere Entwicklung zum Zweck des Unterrichts und Trainings zu betrachten. Lediglich den Bhikkhu-Pātimokkha können wir so, wie wir ihn heute haben, als authentisch ansehen, und er ist in allen Schulen gleich. In den Suttas wird nur der Pātimokkha als Leitfaden genannt, an dem sich die Ordinierten orientieren sollten.

Der „Bhikkhunī-Pātimokkha“ selbst wird in den Suttas überhaupt nicht erwähnt. In einigen Texten des Aṅguttara Nikāya ist lediglich die Rede von „beiden Pātimokkhas“, aber alle diese Stellen haben keine Parallelen in einer der anderen Schulen. Ich will nicht so weit gehen und behaupten, dass sie daher als spätere Einfügung anzusehen sind, aber es ist ein Hinweis.

Den Vibhanga kann man in seinen frühen Anfängen wahrscheinlich bis zur Zeit des Buddha selbst zurückverfolgen, da zweifelsohne Interpretationen der Pātimokkha-Regeln im Sangha diskutiert worden sein werden, und das wurde danach fortgesetzt. Zu bemerken ist hier auch die Rolle des zweiten Konzils in diesem Bearbeitungsprozess. (5)

In der textlichen Entwicklung der Vinayas ist das zweite Konzil von herausragender Bedeutung. Es ist das einzige Großereignis in der buddhistischen Geschichte, bei dem es ausschließlich um eine Kontroverse über Vinayafragen geht. Der Sieg der Pāveyyakas, der „unerbittlichen“ Partei beim zweiten Konzil, passt widerspruchsfrei zu einem Szenario, das die systematische Zusammenstellung der Vinayatexte diesem Zeitabschnitt zuschreibt. Obwohl die kanonischen Berichte nicht enthüllen, welche Arbeiten am Text bei dieser Gelegenheit vorgenommen wurden, erscheint es sehr plausibel, dass die heutige Form der Vinayas ein Ergebnis des zweiten Konzils ist. Man hat sich wahrscheinlich über die wesentlichen Strukturen und Themen geeinigt, während die Einzelheiten in den verschiedenen Klostergemeinschaften über die folgenden Generationen ausgearbeitet wurden; das Ergebnis sind die verschiedenen Vinayas, die wir heute haben.

Wenn wir dieses Szenario ernst nehmen, dann legt es nahe, dass der Großteil der Vinayatexte, wie wir sie heute haben, lange nach dem Tod des Buddha hinzugefügt wurde. Das steht wiederum im Gegensatz zu den Suttas, die unmittelbarer vom Buddha zu stammen scheinen und weniger stark bearbeitet sind.

Viel bleibt im Bereich der Authentizität der Vinayatexte noch zu erforschen, und besonders im Hinblick auf die Rolle der Frauen und Nonnen in diesem Zusammenhang. Wir werden niemals in die Vergangenheit reisen können, um den Buddha nach seinen Absichten zu befragen, aber aus den frühen Suttas scheint es sehr klar, dass es einen hohen Grad an Gleichberechtigung zwischen Mönchen und Nonnen gab, und dass sie viel Kontakt untereinander hatten. Das hat sich jedoch mit der Zeit geändert, selbst zu Lebzeiten des Buddha schon, als sich der wachsende Sangha einer Gesellschaft anpassen musste, in der gleiche Behandlung alles andere als die Regel war.

Gehen wir zu den Grundlagen der Lehre des Buddha selbst zurück: All diese Unterschiede, die wir zwischen Menschen wahrnehmen, sind nur das: sie sind Wahrnehmungen, bloße Fata Morganen, die die Menschen irgendwann glauben. Unsere Aufgabe besteht dann darin, in uns hineinzuschauen und zu verstehen, woher diese Wahrnehmungen kommen, und ihre wirkliche Natur zu erkennen. Aber es ist auch unsere Aufgabe, anderen zu helfen, dass sie erkennen, wie diese Wahrnehmungen ihr Verhalten beeinflussen und wie dieses Verhalten anderen Individuen oder Gruppen schaden kann.

Ich glaube, dass der Buddha Menschen als Menschen betrachtet hat. „Getrennt, aber gleich“ ist für mich eine Illusion, die es nie wirklich geben kann. „Trennung“ bringt an sich Ungleichheit mit sich. Wahrer Fortschritt ist nur möglich, wenn wir alle Menschen einschließen, unabhängig von Rasse, Gesellschaftsschicht, biologischem oder sozialem Geschlecht. Nur wenn wir uns auf unsere Gemeinsamkeiten ausrichten, anstatt uns und andere über unsere Unterschiede zu definieren, können wir tatsächlich anfangen, einander als Mitmenschen zu begreifen.

Literatur:

  1. Lily A. Saffer, 2013.
    Sex Segregation in Public Schools: Separate But Equal?
    William & Mary Journal of Women and the Law.
    http://scholarship.law.wm.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1358&context=wmjowl
  2. Robert H. Neumann, 1957.
    Apartheid: South Africa
    The Harvard Crimson
    Apartheid: South Africa | News | The Harvard Crimson
  3. Claire McCann, 2017.
    Separate but Equal? Gender Segregation in UK Schools
    Oxford Human Rights Hub
    http://ohrh.law.ox.ac.uk/separate-but-equal-gender-segregation-in-uk-schools/
  4. Lasni Buddhibhashika Jayasooriya, 2018.
    Caste in Popular Buddhism in Sri Lanka
    https://www.researchgate.net/publication/322738478_Caste_in_Popular_Buddhism_in_Sri_Lanka
  5. Bhikkhu Sujato, 2007
    Bhikkhuni Vinaya Studies
    Santipada
    http://santifm.org/santipada/wp-content/uploads/2012/08/Bhikkhuni_Vinaya_Studies_Bhikkhu_Sujato.pdf

1 Kommentar

  1. Helen Hancke

    Enjoyed reading this well written document, interesting thoughts and abviously still much work to be done to fully understand the Vinaya rules for Bhikkunis and Nuns.

Kommentare sind geschlossen.